Wer den Film nicht kennt: Batman bekämpft darin seinen gefährlichsten Gegner, den Joker. Dieser Dauergrinser sorgt selbst in der Gangsterszene für Verwirrung. Seine Anschläge ergeben keinen rational-nachvollziehbaren Sinn. Als ein Überfall finanziellen Gewinn einbringt, verbrennt der Joker seinen Anteil. Welch Blasphemie! Aber ihn interessiert nur eins: Chaos und Zerstörung. Er will die Einwohner von Gotham City ängstigen, ihre schrecklichsten Reaktionen provozieren und das Böse aus ihnen herauskitzeln.
Und hierin ähnelt die Filmstadt einmal mehr der globalen Gegenwart. In der wütet der Joker gleich zweifach: maskiert als globaler Finanzkapitalismus, mit den Masken von US- und EU-Politikern – und als Krieger Allahs, getarnt als Hilfssuchende und friedliche Muslime.
Beide sind Masken derselben „Sache“, zwei Varianten des Terrors. Das Ziel ist in beiden Fällen das Gleiche: den Menschen das Gefühl universeller Hilflosigkeit zu vermitteln. IS und Al Quaida versetzen die arabische Welt durch inszenierte Körpervernichtung in Angststarre, während der Finanzkapitalismus die Psyche der Menschen zerstört.
Der Westen, vom Nihilismus bereits geschwächt, produziert Resignation gegenüber dem Interesse des Finanzkapitals, das für fortschreitende Massenarmut sorgt, der Jugend die Zukunft nimmt, den Völkern Afrikas Nahrung und Wasser hinweg spekuliert (oder monopolisiert).
Beim Wettbewerb, wer die Völker am effizientesten knebelt, setzt das westliche Finanzkapital weniger auf Panik sondern auf Ermüdung, auf Depression: Egal, was du tust, die Dinge sind „alternativlos“. Aktuell: Egal, wie heftig ihr protestiert, wie viele Experten sich die Haare raufen, wir werden trotzdem alles beschließen, was wir uns vorgenommen haben.
Egal, ob ihr euch darüber aufregt, dass wir eure Träume von einem friedlichen und vereinten Europa kurzerhand gestoppt haben und die EU in eine Autokratie umgewandelt haben, wir machen dennoch weiter, ob euch das gefällt oder nicht.
Es ist uns auch egal, wie ihr zu Russland und Covid-19 steht, wir erklären Russland trotzdem zum Feind, und die Grippe zur Pandemie.
NGOs und Bürgerbewegungen kommen und gehen nach kurzer Zeit. Die Nichtreaktion der Politik lässt sie schnell den Atem verlieren. Zurück bleibt die Leere. Die Depression.
New York City’s Weg aus dem Corona-Fiasko, wird ein steiniger sein. Die Wunden, die geschlagen wurden, werden nicht so schnell verheilen, und die Narben werden auf Dauer sichtbar sein. Covid-19 und die darauf folgende Wirtschaftskrise, haben New York City – ganz zu schweigen vom ganzen Land – in eine Rezession gestürzt, Millionen von Menschen arbeitslos gemacht und die öffentlichen Dienste lahmgelegt.
Viele Institute, darunter auch das Manhattan Institut und andere Think-Tanks arbeiten daran, Pläne für die Zukunft der Stadt zu entwickeln. Man ist sich einig darüber, dass der Big Apple wieder auferstehen wird, aber man weiß auch, dass es niemals wieder wie früher sein wird. Das Leben hat Risse bekommen, und wie lange es dauern wird, das Trauma zu überwinden, weiß niemand.
Die Visionäre New Yorks wollen den „Big Apple“ wieder auferstehen lassen. Ihre Visionen sollen Wirklichkeit werden. Die Probleme aber sind so immens, dass es Jahrzehnte dauern könnte, bis der „Big Apple“ wieder im alten, oder vielleicht auch in einem neuen Glanz erscheint. Die Baulücken von 9/11 konnte man schließen, die menschliche Tragödie aber bleibt.
Die „vorübergehenden“ Veränderungen haben zu dauerhaften Veränderungen geführt. Vor allem bei den Menschen. Viele sind arm geworden, und viele werden es auch für eine Zeitlang bleiben, vielleicht sogar für immer. Viele Bürger, die in Rentenfonds und dergleichen bei Lehman Brothers und anderen Banken ihr Geld angelegt hatten, schlafen auch 13 Jahre danach noch in Wohnwägen und unter Brücken. Das wird für die Zeit nach Corona auch nicht anders sein. Corona, oder die Geschichten um Corona herum, haben die Welt verändert, für immer.
Nicole Gelinas: In normalen Zeiten ist der urbane Wandteppich von New York aus einem robusten Material gefertigt. Die einzelnen Fäden verstärken sich gegenseitig. Gut bezahlte Büroangestellte in Midtown essen zu Mittag und lassen sich später auf dem Heimweg die Haare schneiden. Japanische Touristen unterstützen den Broadway, und der Broadway mit seinem Bedarf an Kostümen unterstützt den Garment District. Programmierer und Grafikdesigner, die in Brooklyn leben, verdienen ihr Geld bei Technologieunternehmen und Banken in Manhattan. Geschäftsreisende unterstützen Hotels. Die Zimmermädchen der Hotels bringen das Geld, das sie in Midtown verdienen, zurück in die Lebensmittelgeschäfte in Queens und der Bronx. Der Feuerwehrmann von Staten Island ist auf die Steuereinnahmen angewiesen, die aus diesen verflochtenen Aktivitäten stammen, um seine Hypothek zu bezahlen. Zieht man einen Faden heraus, wird das Gewebe schwächer.
Es gibt keinen Grund, New York zu besuchen – oder für viele, ins Büro zurückzukehren -, wenn die kulturellen Einrichtungen der Stadt und die Restaurants und Einzelhändler von Weltrang geschlossen bleiben. Je länger jedoch Büroangestellte und Touristen wegbleiben, desto länger bleiben Kunstgruppen, Restaurants und Einzelhändler ohne angemessene Einnahmen, was zu einem zerstörerischen Kreislauf führt, in dem immer mehr Unternehmen untergehen.
Angesichts der größten Krise, die New York seit mindestens 45 Jahren – vielleicht sogar seit jeher – durchgemacht hat, sind die Aussichten auf „Normalität“ doch eher bescheiden. Das Virus dürfen wir nicht vergessen, war (ist) auch ein politisches Virus, dass die Machtverhältnisse zwischen Regenten und Bürgern in ein neues Licht gerückt hat, in ein dunkles Licht, dass die Hoffnung auf „Normalität“ in weite Ferne rückt.
New Yorks Jahr aus der Hölle
Urban Economist, Visionärin
von Nicole Gelinas vom Manhattan Institut, Autorin beim „City Journal“ und der „New York Post“.
Bis Mitte März gab es in der Wirtschaft von New York City fast 4,1 Millionen Arbeitsplätze im privaten Sektor – ein Rekord. Keine Branche dominierte, was bedeutet, dass der Zusammenbruch einer Branche keine Katastrophe für die Stadt bedeuten würde. Mehr als 800.000 Menschen arbeiteten in den Bereichen „Freiberufler und Unternehmen“, zu denen Unternehmensrecht und Softwaredesign gehören; weitere 800.000 arbeiteten im Gesundheitswesen. Fast eine halbe Million Menschen arbeiteten im Finanz- und Immobiliensektor, eine weitere halbe Million im Freizeit- und Gastgewerbe. Der Einzelhandel bot fast 350.000 Arbeitsplätze, das verarbeitende Gewerbe etwa 70.000 und der Hochbau 50.000. Im Grunde gab es für jeden einen Job, egal ob es sich um den CEO einer Investmentbank oder den aus Mittelamerika neu in New York angekommenen Tellerwäscher handelte. Zwei frühere Krisen – das Platzen der Technologieblase, auf das bald der 11. September 2001 folgte, und die Finanzkrise von 2008 – haben gezeigt, wie widerstandsfähig diese Beschäftigungsvielfalt ist, da sich die Wirtschaft in Gotham weitaus schneller erholte als der Rest der Nation.
Was Anfang März noch schwer vorstellbar war, ist heute eine schreckliche Tatsache. Die monatelange Schließung ganzer Industriezweige, selbst aus berechtigten Gründen, führt zu einer massenhaften Vernichtung von Arbeitsplätzen. Ende Juli (dem letzten Monat, für den Daten vorliegen) fehlten in New York City 16 Prozent der Arbeitsplätze, d. h. 646.100 Stellen, im Vergleich zum Juli des Vorjahres. Nach der Finanzkrise hingegen verlor New York 206.300 Arbeitsplätze.
Und in dieser Krise steht New York weitaus schlechter da als der Rest der USA. Bis Ende Juli hatte die Nation 8,1 Prozent ihrer Arbeitsplätze verloren. Aber auf lokaler Ebene befindet sich ein Wirtschaftszweig nach dem anderen nicht nur in der Rezession, sondern ist praktisch nicht existent. In New York fehlen 53 Prozent der 471.800 Beschäftigten im Freizeit- und Gastgewerbe, die vor dem Covid beschäftigt waren. Der Kunst- und Unterhaltungssektor hat 65.200 Arbeitsplätze oder mehr als zwei Drittel verloren, und das Gaststätten- und Hotelgewerbe hat 184.500 Arbeitsplätze oder 49,2 Prozent abgebaut. Im Einzelhandel wurden 45.300 Personen oder 13,2 % entlassen. All diese Rückgänge übertreffen die nationalen Verluste.
Die Rezession hat auch begonnen, Branchen zu treffen, die zunächst von Schließungen verschont blieben. Im Finanz- und Immobiliensektor hat die Stadt 34.600 Stellen verloren, das sind 7,1 % der Gesamtbeschäftigung. Es liegt auf der Hand, dass bei sinkender Nachfrage nach Wohnungen weniger Menschen einen Immobilienmakler brauchen. Aber auch die Banken haben Arbeitsplätze abgebaut, wobei das Geschäftsbankwesen im Vergleich zum Juli letzten Jahres 1.800 Stellen oder 2,5 % und das Investmentbanking 3.100 Stellen oder 6,2 % verloren haben. Im Bereich der freiberuflichen und unternehmensbezogenen Dienstleistungen wurden 110.300 Stellen oder 13,7 % abgebaut, darunter viele Zeitarbeiter. Eine längerfristige Gefahr in diesen Bereichen ist nicht der Verlust von Arbeitsplätzen, sondern die Verlagerung von Arbeitsplätzen, wobei die Banken und Anwaltskanzleien in Manhattan erwägen, Satelliten in New Jersey und Westchester zu eröffnen und ihre Mitarbeiter zumindest zeitweise in dem ihrem Wohnort nächstgelegenen Büro unterzubringen.
New York hatte nach seinem letzten Tiefpunkt in den 1970er Jahren Glück. Viele amerikanische Städte haben sich nach den Wirren dieser Zeit nie wieder erholt; sie starten immer noch eine Reihe gescheiterter Experimente, um lange verödete Geschäftsviertel in den Innenstädten wiederzubeleben.
Wenn es gelingt, Corona zu überwinden, kann New York City wieder leben.