Alternativen zum «Great Reset»
„Was es braucht, ist eine Neugestaltung nach dem Mass des Menschen“.
Zeit Fragen: Wir haben uns heute vorgenommen, vor allem über Alternativen zum «Great Reset» zu sprechen, im Grundsatz und auch ganz konkret. Lassen Sie uns mit dem Grundsätzlichen beginnen.
In der Tat: Der «Great Reset» ist keine Perspektive, und allzu lange sollten wir uns auch nicht bei ihm aufhalten. Die Neugestaltung nach dem Mass des Menschen und des Ökosystems Erde braucht keinen «Great Reset», sie müsste vielmehr dezentralisieren, intelligent vernetzen und vor allem den Bürgern über die direkte Demokratie eine Stimme gegeben wird.
Zeit Fragen: „In der nun schon mehr als ein Jahr andauernden Corona-Krise werden wir erneut mit der Behauptung konfrontiert, diese Pandemie lasse für unsere künftige Ordnung von -Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nur einen Weg zu. Klaus Schwab, Gründer und Direktor des Weltwirtschaftsforums WEF, hat versucht, diesen einen Weg festzulegen: in seinem gemeinsam mit Thierry Malleret geschriebenen Buch «Covid 19: The Great Reset», deutsch: «Covid 19: Der grosse Umbruch». Wie beurteilen Sie dieses vermeintlich alternativlose Konzept?
Heinrich Wohlmeyer: Klaus Schwab geht davon aus, dass die vierte industrielle Revolution dank der technischen Fortschritte in Biologie (insbesondere Genetik), IT (Big data und Digitalisierung bis hin zu Internet of Things [IoT], 3D-Drucken usw.), Physik (bis hin zur Nanotechnik), Verkehr (z. B. Einsatz von Drohnen im Dienstleistungsbereich) weltweit keinen traditionellen gesellschaftlichen Stein auf dem anderen lassen wird. Wir hätten ein Opportunitätsfenster (window of opportunity), das es zu nutzen gelte, um eine neue Gesellschaftsordnung aufzubauen. Dies erfordere eine technisch unterstützte Weltregierung (Global governance).
Schwabs Kritik am Nationalstaat ist nicht mehr als ein Vorurteil
Und wie sieht es bei der Gesellschaftsgerechtigkeit aus?
Schwab ist überzeugt, so in seiner Rede beim Chicago Council of Global Affairs im Juni 2019: «Die vierte industrielle Revolution wird im Rahmen des ‹Great Reset› zu einer Verschmelzung unserer physischen, digitalen und biologischen Identität führen.» «Zusammenführung von Kapitalismus und Sozialismus, um ein produktives und integratives Wirtschafts- und Sozialmodell zu schaffen.» Diese Überzeugung durchpulst das ganze Buch «The Great Reset». Wenn auf Seite 107 seines Buches das «Trilemma» Globalisierung, Demokratie und Nationalstaat behauptet wird, in dem nur zwei aus der Sicht der Weltwohlfahrt vereinbar seien, nämlich Globalisierung und Demokratie, dann ist dies eindeutig ein technokratisches Fehlurteil. Die Nationalstaaten sind Wiege der Demokratien und können über das Völkerrecht sinnvoll zusammenwirken.
Eine anonymisierende globale Gleichschaltung
Können Sie dies genauer erläutern, zum Beispiel bezüglich des Kriteriums der Menschengerechtigkeit?
Da wir auf das Leben und Wirken in überschaubaren Gruppen ausgelegt sind, führt eine anonymisierende globale Gleichschaltung, in der der Mensch nur eine Nummer im Globalkollekiv ist, nicht nur zur Verminderung des individuellen Glücks, sondern auch zur Zunahme psychischer Erkrankungen, die wieder zusätzlich das Immunsystem schwächen.
Klaus Schwab favorisiert in seinem Konzept den Ausbau alles technisch Möglichen. Viele dieser Vorstellungen basieren auf einem Machbarkeitswahn, der die irdische Realität und das Wesen Mensch grundlegend verkennt und der daher alles andere als menschengerecht ist.
Weiterlesen: Aus Zeitfragen